Einmal nach Rügen

Je länger sich der Winter noch ziert, dem Frühjahr das Feld zu räumen, desto mehr merkt der geneigte Luftfahrer, wie sehr die Erinnerungen an die letzte Saison lauter und lauter nach Zugabe im neuen Jahr rufen. Und in Ermangelung neuer Erlebnisse verbringt manch einer die dunklen Stunden des Jahres damit, längst auswendig beherrschte Youtube-Kanäle rauf und runter zu klicken oder aber die Fotos der schönsten Erlebnisse wieder und wieder anzusehen. Wie zum Beispiel dieses: Ein wahres Juwel der letzten Saison war für mich der 01.08.2014.

Angesichts der Vorhersage auf flugwetter.de war für mich klar, dass es sich für diesen Freitag lohnen würde, einige Telefonate zu führen, um einen Flugbetrieb unter der Woche zu organisieren. Gesagt, getan. Spät abends und früh morgens wurde nochmals das Wetter studiert – es gab keine wesentliche Verschlechterung gegenüber der vorherigen 3-Tages-Vorhersage. Für uns im Norden ist schon das ein kleines Wunder. Ich hatte mir ein schönes 500km-Dreieck vorgenommen, das sollte bei diesem Wetter gut machbar sein.

Am Platz angekommen, waren wir drei Piloten – Ullrich, Sönke und ich – sowie Klaus und Torsten, die uns dankenswerterweise in die Luft bringen „durften“.  Zunächst überlegten Sönke und ich, ob wir jeder solo in den beiden Discus-b oder aber zusammen im DuoDiscusXLT starten wollen. Wir entschieden uns für den Duo. Kurze Zeit später platzte dann meine Idee von meinem punktereichen 500er-Dreieck: Sönke hatte die Idee, nach Rügen zu fliegen, da die seltene Wetterlage genau diesen, seinen Traum verwirklichen könnte. Ich brauchte einige Minuten, mich von meinem festen Fokus auf das Kilometerfressen zu lösen. Aber warum nicht – gilt es nicht, auch neues zu erkunden und nicht nur die bekannten Dreiecke in immer gleichen Regionen wieder und wieder abzureißen? Also los!

Die Thermik sollte spät beginnen, vor 11:00 Uhr Ortszeit war an einen Start nicht zu denken.  Um 11:20 sollte es dann aber endlich losgehen, die Zeit hängt uns sonst zu sehr im Nacken. Das Wolkenbild hatte zwar andere Argumente – es gab keines – aber einige leichte Luftbewegungen am Boden erzählten uns etwas von möglichen ersten Aufwinden. Nach unserem Start mit DD ließen wir zunächst den Motor die obligatorische Minute laufen. Da außer den üblichen 0,7m/s aber kein Steigen spürbar war, ließen wir den Lärmspender noch ein wenig laufen, um im Platzbereich nach erster Thermik zu suchen.

500m und keinen cm mehr

DD und FJ in Warteschleifen

Nachdem es dann endlich die ersehnten ersten Andeutungen von Aufwind gab, schalteten wir den Motor aus und kreisten ein. Was nun an Gemurkse folgte, lässt sich am Höhenschrieb (Link) ablesen: 20 nicht enden wollende Minuten ging es in ungemütlichen 500m keinen Meter höher. Das Vario zeigte nur im Wechsel Steigen und Fallen im Zentimeterbereich an. Ullrich in der FJ hatte uns als Thermikanzeiger nutzen wollen, nur um dann mit der selben Herausforderung konfrontiert zu sein wie wir – allerdings auch noch 200m tiefer.

 

Segelfliegen

Entspannte Gesichter nach Thermikbeginn

Letztlich sind wir drei dann doch gut weggekommen, über Bad Segeberg stand dann endlich ein Aufwind, der uns auf verhältnismäßig beruhigende 1.200m Höhe brachte. In Bad Oldesloe trennten sich unsere Wege, wir flogen im Duo über Zarrentin und Schwerin in Richtung Rügen weiter.

Unterwegs waren wir dann doch recht häufig froh, dass wir den Duo mit seiner Heimkehrhilfe gewählt hatten – nur als Beruhigungsdroge: Hinter Schwerin passten Wolkenbild und Thermik einfach nicht recht zusammen und so bastelten wir uns zwischenzeitlich auf abermals unsympathische 500m herunter.

Wolken bis Rügen

Wolken bis Rügen

Ab Güstrow besserte sich die Lage dann deutlich. Sogar so deutlich, dass wir es uns nicht nehmen ließen, einer S10 zu zeigen, was mit einem Duo geht. Aber uns ging es nicht um Tempo und Kilometer: Rügen war in Sicht und die Wolken auf der Strecke dorthin relativ gut nutzbar, wenn auch alle eine wenig seltsam abgeflacht waren – wohl die Ursache für unsere zuvor gemachte Erfahrung.

Auf Höhe Stralsund angekommen, stellte sich heraus, dass unser mutig angesetzter Wegpunkt EDCG Flugplatz Rügen unerreichbar war. Über Rügen stand nicht eine einzige Wolke, und der Endanflugrechner ermittelte eine Ankunftshöhe von 600m am Wendepunkt. Hört man im Kopf eine kleine Stimme flüstern: „es wird schon gut gehen“, so ist das ein sicheres Indiz für eine dringend notwendige Planänderung.

Rügen voraus – alles blau

 

Wir gaben uns dann damit zu frieden, auf der Insel einen Loggerpunkt hinterlassen zu haben und machten uns an die Planung des Rückweges. Ein Blick entlang der Ostseeküste zeigte uns, dass es ganz großes Erlebnisfliegen werden wird: Kaiserwetter mit regelmäßigen Wolken bis zum Horizont in Richtung Heimat versprachen einen eindrucksvollen Rückweg.

Segelfliegen

Stralsund

Dazu kam noch eine relativ gute Sicht, die wir ausgiebig für die Produktion von Film- und Bildmaterial nutzten. So zum Beispiel über Stralsund, wo wir einen herrlichen Blick auf die Stadt, den Hafen und das Ozeaneum genießen konnten.

Immer an der Küste entlang, kamen wir schnell voran. Der nächste größere Ort war Warnemünde mit der Marina Hohe Düne. Hier habe ich schon regnerische Tage im Hafen mit tristem Warten auf Weiterfahrt verbracht – heute dagegen bekam ich das Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.

Segelfliegen

Warnemünde mit Marina Hohe Düne

Auf dem weiteren Flug wurde es auf Höhe der Insel Poel nochmal spannender – und die Gespräche etwas einsilbiger. Der einzige Vorteil mäßiger Flughöhe ist die Möglichkeit, tolle Bilder zu schießen – wenn man es denn vor Anspannung noch schafft.

Es geht doch nichts über das Gefühl der Trockenheit im Mund, dem fahrigen Reduzieren der Funklautstärke zu Gunsten einer besseren Konzentration und dem Gefühl, man müsse durch Senken des eigenen Gewichtes im Flugzeug die Gesamtsituation verbessern – wohlwissend, dass die Anspannung in Gesäß und Rücken keinerlei Auswirkung auf das Gesamtgewicht des Flugzeuges hat und keinen Meter Höhengewinn bringt. Hier allerdings waren diese Symptome gänzlich unbegründet – hatten wir doch noch sagenhafte 740m unter uns. Aber der Wohlfühlfaktor nimmt überproportional ab, wenn man zuvor auf komfortablen 1500m dahin glitt.

Insel Poel

Insel Poel

Nachdem wir die Insel Poel hinter uns gelassen haben, stellte sich die Frage, ob wir noch einen Schwenk in Richtung Nordwesten einlegen sollten, um einmal direkt quer über die Lübecker Bucht zu fliegen, was ja auch nicht oft vorkommt. Allerdings sah das Wolkenbild am Horizont in dieser Richtung nicht so eindeutig aus. Wir blieben deshalb über Land und flogen über direkt über Travemünde gen Heimat.

In Wahlstedt wieder angekommen, waren jegliche Bedenken, die wir vor Lübeck hatten, ausgeräumt: In Schleswig-Holstein war immer noch Hammerwetter. Nach kurzer Abstimmung entschlossen wir uns zu einem kurzen Abstecher in Richtung Rendsburg. Dort angekommen, standen Cumulus-Wolken wie aus dem Lehrbuch. Da unsere Kondition jedoch langsam nach einem Happy-End dieses Tages verlangte, entschieden wir uns, diese Schönheiten für einen entspannten Endanflug nach Hause zu nutzen.

Segelfliegen

Cumulus wie im Lehrbuch

 

Am Ende des Tages war es einer der schönsten Flüge, wenn nicht der schönste Flug des Jahres für uns. Kein Gedanke mehr an OLC-Punkte, Kilometer und Durchschnittsgeschwindigkeit – einfach ein unglaublich schönes Erlebnis. 2015 wird es schwer haben.