Drei Wahlstedter Piloten fliegen jeweils über 1000 Kilometer im Segelflug

Am späten Montagabend des 06.05.2019 begannen bei mehreren Mitgliedern des Luftsportvereins Kreis Segeberg e.V. die Telefone zu klingeln: Stefan Delfs war im Wetterbericht für den Folgetag, den 07.05.2019, eine „günstige“ Wetterlage aufgefallen und so vereinbarten die drei erfahrensten Streckenflugpiloten des Vereins das Wetter am Dienstag, den 07.05.2019, zu nutzen.

Unser Pressereferent Karsten Wilkening fasst den Tag wie folgt zusammen:

„Beim Luftsportverein Kreis Segeberg e.V. herrscht Riesenfreude, denn in der letzten Woche haben gleich drei Piloten am selben Tag jeweils eine Strecke von über 1.000 km im Segelfugzeug absolviert. Die Flüge starteten am frühen Morgen bei herrlichem Sonnenschein von den Flugplätzen in Wahlstedt und in Itzehoe. Stefan Delfs (Kellinghusen) und sein Co-Pilot Marc-Anton Winter nutzten einen eigenstartfähigen Doppelsitzer und näherten sich von Itzehoe aus dem Wahlstedter Flugplatz. Dort waren Ingo Bielenberg (Klein Kummerfeld) mit einem Einsitzer und Christoph Schwarz (Schmalensee) mit einem Hochleistungsdoppelsitzer, aber ohne Co-Pilot, ebenfalls gegen 09.00 Uhr gestartet. Der Wetterbericht versprach eine günstige Wetterlage, bei der mit guten Segelflugzeugen die thermischen Aufwinde während des Tages für Strecken bis 800 km reichen sollten.

Alle drei Piloten wählten deshalb die „Ost-Rennstrecke“ gen Polen. Über Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg herrschten gute Aufwinde, so dass es teilweise auf über 2.000 Meter Höhe ging, die dann beim Abgleiten der Höhe in Strecke umgesetzt wurden. Von Aufwind zu Aufwind hangelten sich die Piloten weiter und gelangten bis kurz vor Posen in Polen. Dort entschieden sich alle, den Rückflug anzutreten, denn mehr als 500 km waren zwar absolviert, aber genau die gleiche Strecke galt es nun auch auf dem Rückflug zu meistern. Man sagt zwar erfahrenen Segelfliegern nach, dass sie die Wolken „lesen“ können, aber nicht immer verhält sich ein Aufwind unter einer Wolke, wie man es erwartet hat. So war der Rückflug, der für zwei der Segelflieger südlich von Berlin vorbeiführte, während der dritte die nördliche Route wählte, dann auch ein kleiner Wettlauf mit der Zeit. Die Thermik wird zum Abend hin mit der nachlassenden Sonneneinstrahlung deutlich schwächer, so dass man den letzten Aufwind so erwischen sollte, dass eine sichere Rückkehr zum Heimatflugplatz gewährleistet ist.

Nach gut 10 Stunden Flug in einem engen Cockpit, Temperaturen von bis zu minus 12 Grad in den großen Höhen und hoher Konzentration während der gesamten Zeit kein leichtes Unterfangen, aber alle Piloten meisterten auch diese letzte Hürde. Gegen 19.00 Uhr setzten dann die Segelflugzeuge mit zeitlichen Abständen sanft auf und öffneten die Hauben. Strahlende Gesichter unter dicken Mützen, vor allem das von Ingo Bielenberg, denn es war sein erster Flug über eine Gesamtdistanz von 1.047 km. Christoph Schwarz freute sich über seinen nun schon zweiten Flug mit mehr als 1.000 km, während es für Stefan Delfs der inzwischen dritte Flug über eine solche Distanz war und sein längster mit 1.138 km! Mit seinem Flug ist auch noch ein Rekord verbunden, denn es ist der bislang längste Flug eines Segelflugzeugs mit Start und Landung von Schleswig-Holstein aus.

Es gibt beim Segelfliegen nur ganz wenige Tage in einem Zeitabschnitt von 3 bis 5 Jahren, wo alles passt: Das Wetter ist hervorragend, der Pilot hat Zeit und die Gesundheit ist perfekt. Wenn dann an einem Wochentag auch noch einige helfende Hände trotz Berufstätigkeit beim Start dabei sind, kann der Flug beginnen. In jeder Minute werden vom Piloten Entscheidungen abverlangt, welche Wolke angeflogen werden soll, wohin der Kurs danach folgen soll, welche Restzeit noch zur Verfügung steht usw.  Es ist ein sehr komplexes Unterfangen, einen solchen Flug durchzuführen. Umso mehr freut sich der 1. Vorsitzende, Torsten Maaß, über diesen denkwürdigen Tag. „Drei mal diese Strecke von Piloten unseres Vereins – das ist etwas für unser Geschichtsbuch. Eine herausragende Leistung und ganz großen Respekt von der Leistung“, so seine Einschätzung. Auch unter Umweltgesichtspunkten seien gut  3.300 km in der Luft unter Ausnutzung der Sonnenenergie ein schönes Beispiel, dass Fliegen im Einklang mit der Natur stattfinden kann.“

Pressveröffentlichungen:

Lübecker Nachrichten, 14.05.2019

Erlebnis- und Flugbericht (Fortsetzung der Einleitung)

Für Stefan Delfs und Ingo Bielenberg war der Flugtag am Montagabend schon gesichert, nachdem die Termine des Folgetages wegorganisiert werden konnten. Typischerweise kollidiert das Berufsleben bei solch spontanen Flügen in der Woche mit derartigen Vorhaben. Sie konnten ihre eigenstartfähigen Segelflugzeuge nutzen, sodass ein kleines Bodenteam am Flugplatz völlig ausreichend war. Stefan Delfs aus Kellinghusen startete gemeinsam mit Marc-Anton Winter in Itzehoe mit seinem Nimbus 4 DM. Ingo Bielenberg aus Klein Kummerfeld nutzte den Heimatflugplatz in Wahlstedt mit seinem Ventus 2CM. Er startete bereits um 08:40 Uhr, was schon außergewöhnlich ist. Am seidenen Faden hing das Vorhaben zunächst für Christoph Schwarz aus Schenefeld (Hamburg) / Schmalensee: Denn der „Flugeinsatz“ war so spontan, dass erst um 07:35 nach einem kurzen Telefonat klar war, dass ein Windenfahrer zur Verfügung stand und auch der vereinseigene  DuoDiscus XLT mit der Winde in die Luft gezogen werden konnte. Mal wieder rettete Klaus Tanneberg mit seinem unermüdlichen Einsatz diesen Flugtag und machte es  dem Luftsportverein Kreis Segeberg  möglich, einen weiteren denkwürdigen Tag zu dokumentieren. Nach dem Telefon-Weckruf gegen halb acht war Klaus schon um halb neun am Platz. Am Boden halfen zudem der Vorsitzende des Luftsportvereins Torsten Maaß sowie Birte Bielenberg, die zuvor ihrem Mann Ingo in die Luft verhalf und nun Christoph mit den anfallenden Bodendiensten unterstütze. Insbesondere dem Bodenteam gilt der Dank, denn ohne ein Helfer-Team kommt keiner in die Luft. Bereits gegen halb zehn konnte der Start mit der Winde erfolgen.

Alle Piloten hatten keine feste Aufgabe geplant. Gleichwohl war natürlich anhand des Wetterberichtes eine grobe Vorstellung vom Flugverlauf entwickelt worden. Dabei waren sich alle einig, dass zunächst mit dem Rückenwind ein sehr langer erster Schenkel in Richtung Polen bis zu 500 Kilometer von Wahlstedt entfernt zu avisieren war. Danach war dann je nach Verlauf zu entscheiden, ob der Rückweg nördlich oder südlich von Berlin erfolgen sollte. Ingos Wertungsflug für die 1.047 Kilometer begann über Stockelsdorf am Nordrand von Lübeck in 1.807 Metern. Stefans und Marc-Antons Wertungsflug startete 09:26 Uhr in 1.400 Meter Höhe nördlich von Bad Bramstedt. Christoph flog in Wahlstedt um 09:43 Uhr in 768 Metern Höhe ab. Die Thermik war schon zuverlässig. Gegen halb zehn trug diese mit Steigwerten von 1 – 1,5 Meter / s im Bereich Wahlstedt auf bis zu 800 Metern Höhe. Der Wind wehte aus West mit leicht nördlichem Einschlag mit bis zu 25 km/h am Vormittag. Zwar sind 800 Meter Basis noch nicht sehr komfortabel, aber die niedrigere Arbeitshöhe wird häufig dadurch kompensiert, dass die Aufwinde nicht so weit auseinanderstehen. Die Sicht war dem Charakter der Kaltluft entsprechend exzellent.

Nun hieß es zunächst für alle Piloten mit dem Wind vorsichtig in Richtung Osten vorzufliegen. Dies gelang allen Piloten sehr gut. Dabei war im Wesentlichen darauf zu achten nicht zu tief zu kommen und Zeit mit „Bodenakrobatik“ zu verschwenden. Bei 800 Meter Wolkenbasis ist das nutzbare Höhenband noch nicht sonderlich groß. Idealerweise versucht man über 500 Metern Höhe zu bleiben. Dies dient insbesondere auch der Stressvermeidung, denn es war klar, dass bei herausfordernden Bedingungen (Flugzeit über 10 Stunden und Temperaturen bis -12 Grad) durchweg hohe Konzentration und Fitness gefragt waren. Zudem ist es im oberen Höhenband einfacher tragende Linien zu finden und so zu nutzen um möglichst weit mit wenig Höhenverlust zu gleiten. Christoph nutzte die ersten Aufwinde bei Bad Segeberg, Reinfeld, Hollenbek südwestlich von Lübeck und schließlich südlich von Ratzeburg bei Schmilau. Dabei gelang es ihm die „Komfortzone“ von 500 Metern Höhe nicht zu unterschreiten. Ingo kurbelte seine erste Thermik südlich von Hagenow, etwa 85 Kilometer südöstlich von Wahlstedt entfernt. Der Nimbus 4 mit Stefan und Marc-Anton zog seine ersten Thermikkreise bei Reinfeld gegen viertel vor zehn. Nach dem Verlassen des Aufwindes bei Schmilau in etwa 880 Metern Höhe gelang es Christoph eine sehr gut tragende Linie unter Thermikaufreihungen zu finden und so konnte er 77 Kilometer in einem Stück in nur 30 Minuten mit 5 Metern Höhenverlust Richtung erster Wende gleiten. Der sich daran anschließende Bart, so wird die Thermik in Fliegerkreisen genannt, brachte ihn mit fast 2m/s Steigen das erste Mal auf knapp über 1.000 Meter Höhe. Stefan und Marc-Anton befanden sich zu diesem Zeitpunkt etwas weiter voraus bei Plau am See. Der Frühstarter Ingo hatte die Müritz schon hinter sich gelassen und flog über den großen Waldgebieten nördlich Berlins, östlich des ehemaligen Übungsplatzes „Bombodrom“gelegen. Die „heikelste“ Phase war für alle mit Erfolg abgeschlossen. Die Kilometerzähler standen bei 130 km (Christoph), 170 Kilometer (Stefan und Marc-Anton) sowie 190 Kilometer (Ingo). Die erreichten Durchschnittsgeschwindigkeiten lagen bei 100km/h (Ingo), 111 km/h (Christoph) und 119 km/h beim Nimbus-Team.

Am Plauer See trugen die Wolken die drei Piloten schon auf bis zu 1.300 Meter. Um 12 Uhr herum erreichten die Piloten die polnische Grenze. Bereits am Morgen wurden die dortigen Lufträume geprüft. Dies ist über eine Art Onlineportal der polnischen Flugsicherung möglich. Zudem wurde über den Flugfunk der Status erneut abgefragt. Die „störenden“ Lufträume sollten glücklicherweise alle inaktiv sein, sodass dem Weiterflug nichts mehr im Wege stand. Die Wolken trugen nunmehr mit bis zu 2,5 m/s auf etwa 1.500 Meter. Gelegentlich tauschten Ingo, Stefan und Christoph Informationen über Funk aus. Auch einige Piloten von anderen Plätzen aus Norddeutschland waren auf der genutzten Frequenz. Auf den weiteren etwa 170 Kilometern über den polnischen Wäldern nörd- und südlich der Warthe wurde die Bedingungen zunehmend besser. Als der östlichste Punkt erreicht war, lagen die durchschnittlichen Steigwerte um 2,5-3,5 Meter. Die Wolkenbasis war auf über 2000 Meter angestiegen und so konnten die Piloten mit Geschwindigkeiten bis zu 200km/h von Wolke zu Wolke düsen. Ingo meldete einmal sogar ganz begeistert eine Thermik mit 6,4m/s. Das sind afrikanische Verhältnisse! Die Schnittgeschwindigkeiten der Piloten für diesen ersten Streckenabschnitt lagen zwischen 120 und 134 km/h. Das war ein sehr gutes Ergebnis! Gleichzeitig bedeuteten die nunmehr etwa 500 Kilometer Rückweg auch, dass keine Zeit zu verschenken war. Es standen noch etwa 6 Stunden Thermik zur Verfügung. Gelingt den Piloten das Vorhaben, waren die 1.000 Kilometer erreichbar. Der bis hierin schiebende Rückenwind war nunmehr auf dem Rückweg der „Feind“. Thermisch war nun die beste Tageszeit erreicht. Idealerweise plant der geübte Überlandflieger seine Aufgaben so, dass er die Gegenwindstrecken zu dieser Zeit absolviert. Ob eine solche Planung gelingen kann, hängt natürlich immer vom Gesamtvorhaben und dem dazu vorhandenen Wetter ab.

(Der Erlebnisbericht wird in der KW 20 vervollständigt)

Die Flugwege unserer Piloten:

Die Flugwege der drei Wahlstedter Piloten sind raumgreifend

Die Flugwege der drei Wahlstedter Piloten sind raumgreifend

Ingesamt wurden mit den drei Flügen 3.249 Kilometer im Segelflug in jeweils etwa 10 Flugstunden mit Höhen bis zu 2.100 Meter bei dort -10 Grad Celsius bis weit nach Polen rein und um Berlin herum absolviert.

Rahmendaten der drei Flüge:

Stefan Delfs und Marc-Anton-Winter: 1138 Kilometer mit Nimbus 4DM: Start in Itzehoe um 09:13 Uhr;  Landung in Itzehoe um 19:39; Flugzeit 10 Stunden und 25 Minuten (10:14 reiner Segelflug); „Reise“-geschwindigkeit: 112 kmh; Größter Flug mit Start- und Endpunkt aus Schleswig-Holstein

Ingo Bielenberg: 1047 Kilometer mit Ventus 2CM: Start in Wahlstedt um 08:40 Uhr; Landung in Wahlstedt um 20:27; Flugzeit 11 Stunden 47 Minuten (11:20 reiner Segelflug); „Reise“-geschwindigkeit: 100 kmh.

Christoph Schwarz: 1064 Kilometer mit DuoDiscus XLT: Start in Wahlstedt um 09:33 Uhr; Landung in Wahlstedt um 20:11; Flugzeit 10 Stunden 37 Minuten (10:34 reiner Segelflug); „Reise“-geschwindigkeit: 102 kmh.

Die Liste der 1000 Kilometer Flüge aus Schleswig-Holstein zählt nunmehr 13 Flüge von insgesamt neun Piloten:

1.   25.04.1972       Hans-Werner Grosse 1460 km Zielflug (Lübeck – Biarritz) mit ASW 12
2.   14.04.1974        Hans-Werner Grosse 1231 km Zielflug (Lübeck – Angers) mit ASW 17
3.   28.04.1976      Volker Kreussler 1048 km Zielflug (Lübeck – du Blanc) mit Kestrel 19m
4.   07.04.2003      Hans-Werner Grosse 1036 km Ziel-Rück mit Eta
5.   28.06.2003      Hans-Werner Grosse 1027 km mit Eta
6.   18.07.2010       Christoph Schwarz 1016 km mit DuoDiscus XLT
7.   18.07.2010       Ullrich S. Schwarz 1036 km mit Nimbus 3 25,5 M
8.   18.07.2010       Horst Tollgreef 1019 km mit Ventus 2cm
9.   06.06.2014      Stefan Delfs / Jan-Hinnerk Scheel 1019 km mit Nimbus 4 DM
10.   18.06.2016      Stefan Delfs / Jan-Hinnerk Scheel 1034 km mit Nimbus 4DM
11.   07.05.2019      Stefan Delfs / Marc-Anton Winter 1138 km mit Nimbus 4DM
12.   07.05.2019      Ingo Bielenberg 1047 km mit Ventus 2cm
13.   07.05.2019      Christoph Schwarz 1064 km mit DuoDiscus XLT

Landung kurz nach 20 Uhr in Wahlstedt. Klaus Tanneberg erwartet Christoph und freut sich über den gelungenen Tag:

Ein paar visuelle Eindrücke + Prognosen und Satellitenbilder des Tages