Endlich: Zweimal die 1.000 Kilometer geknackt

Sonntag, der 18.07.2010 sollte ein denkwürdiger Tag werden! Nach einigen Jahren Anlauf ist es Piloten des Luftsportvereins Kreis Segeberg gelungen, gleich zwei Flüge von mehr als 1.000 km Strecke zu absolvieren. Dieses entspricht in etwa der Distanz zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen am Fuße der Zugspitze oder einer Luftlinie von Hamburg nach Mailand.

Die thermischen Verhältnisse im Norden Deutschlands sind zumeist stark beeinflusst von den schnell wechselnden Wetterfronten über der Nord- und Ostsee. Tage mit früh einsetzender, guter bis starker Thermik und erst spät nachlassender Sonneneinstrahlung sind deshalb recht selten. Gestern aber war ein Tag wie aus dem Lehrbuch, der sehr gute Voraussetzungen verhieß. Schon am Abend vorher begannen Christoph Schwarz aus Hamburg (30 Jahre, Jurist) und Ullrich S. Schwarz aus Schmalensee ihre akribische Flugvorbereitung. Der schneeweiße Vereins-Doppelsitzer DuoDiscus XLT „D-KCSE“ mit den prägnant geschwungenen Flächen sollte für den Flug genutzt werden. Auch Ullrich Schwarz aus Schmalensee fieberte dem Tag entgegen, denn er hatte schon einige Versuche in den letzten Jahren unternommen, um seinen 1.000 km Traum zu verwirklichen.

Am Sonntagmorgen standen dann ab ca. 8:30 Uhr zunächst leichte und dann zunehmend ausgeprägte Cumulus (Schäfchen)wolken am Himmel und reihten sich bei mäßigem Westwind (ca. 15-18 kmh) hintereinander auf.

Vor dem Start um zirka 9:00 Uhr. Der DuoDiscus XLT und der Nimbus 3 25.5 M sind so gut wie startklar. Lediglich die Flügelnasen werden noch von Sabine auf Hochglanz poliert.

Vor dem Start um zirka 9:00 Uhr. Der DuoDiscus XLT und der Nimbus 3 25.5 M sind so gut wie startklar. Lediglich die Flügelnasen werden noch von Sabine auf Hochglanz poliert.

Die Luft-Autobahn für die Segelflieger war somit eröffnet. Nacheinander gingen der Doppelsitzer mit Christoph Schwarz und seinem Begleiter Stefan Wischmann aus Henstedt-Ulzburg (16 Jahre, Schüler) sowie der Einsitzer Nimbus 3 25,5 m „FJ“ um etwa 09.30 Uhr an der Wahlstedter Winde in die Luft.
Nach dem Ausklinken in zirka 300 Meter Höhe wurde zunächst der Turbo (Heimkehrhilfe) gezündet. Zum einen, um seine Funktionsfähigkeit sicherzustellen und zum anderen, um sicher die erste Thermik in Platznähe zu finden und diese auch für den Nimbus zu markieren, denn eine Platzrunde musste wegen des engen Zeitplanes unbedingt vermieden werden.

Mit den ersten Aufwinden stiegen sie bis kurz unter die Wolken in anfangs 750 Meter Höhe und flogen pfeilschnell in Richtung Südosten davon. Im Gleitflug ging es von einem Aufwind zum nächsten. Auf einem Streckenabschnitt von 280 km Länge wurde der Doppelsitzer sogar mit einem Schnitt von fast 150 km/h geflogen. Alles, ohne auch nur einen Tropfen Benzin zu verbrauchen.

Die Strecke der zwei Piloten führte entlang von fünf Bundesländern zunächst nach Brandenburg/Havel, zurück nach Rotenburg/Wümme, wieder Richtung Osten nach Wittenberg/Lutherstadt, zur Grambeker Heide südöstlich von Lübeck und bis nach Neustadt/Glewe im Zentrum von Mecklenburg/Vorpommern. Der letzte Schenkel in Richtung Neustadt Glewe war – wie zumeist – dem schnellen zusammenbrechen der Thermik in Schleswig Holstein geschuldet. Dem Nimbus fehlten ungefähr 250 Meter für eine Heimkehr nach Wahlstedt. Der DuoDiscus musste leider fehlende 350 Meter verzeichnen. Der Blick in Richtung Wahlstedt offenbarte, dass mit weiterer Thermik in Richtung Heimathafen nicht zu rechnen war. Dies war natürlich sehr schade, insbesondere da die Thermik für einen solchen Kaltlufttag um 18:30 Uhr sehr früh zusammenbrach. Dies war unter anderem einer von Nordwesten hereinziehenden abschirmenden Bewölkung geschuldet.

Kurz vor 20:30 Uhr : Mit musikalischer Begleitung von David Garrett dem Abendrot entgegen. Nach 11 Stunden Flugzeit steht die Landung in Wahlstedt kurz bevor. Rechts im Bild der Warder See und direkt voraus der sich spiegelnde Segeberger See.

Kurz vor 20:30 Uhr : Mit musikalischer Begleitung dem Abendrot entgegen. Nach 11 Stunden Flugzeit steht die Landung in Wahlstedt kurz bevor. Rechts im Bild der Warder See und direkt voraus der sich spiegelnde Segeberger See.

Jetzt hieß es also, die 1000 Kilometer sicher einzufahren, so dass nur eine Entscheidung folgen konnte:
Abdrehen in Richtung Osten und mit dem Wind die noch im Osten stehenden letzten Wölkchen zur Verwirklichung dieses Zieles auszunutzen. Im Nachhinein genau die richtige Entscheidung, denn beide Piloten konnten ihr Ziel erreichen!

Für Stefan Wischmann, der nur einen Tag zuvor seinen Privatpilotenschein – quasi den Führerschein der Segelflieger – absolviert hatte, war der Flug ein faszinierendes Erlebnis. Streckenflug in Reinkultur mit einem der erfahrensten Fliegerkameraden ließ ihn innerlich frohlocken.

Beide Flüge näherten sich ihrem Ende, als gegen 19.20 Uhr Neustadt/Glewe in Zentrum Mecklenburg-
Vorpommers erreicht war und die Thermik endgültig versiegte. Ullrich Schwarz hatte bis dahin insgesamt 1036 Kilometer absolviert und landete dann sicher vor Ort auf dem Segelflugplatz. Der Doppelsitzer hingegen hat einen Hilfsmotor, der genau bei Kilometerstand 1016 langsam aus dem Rumpf herausklappte, präzise ansprang und es den beiden Piloten ermöglichte, aus eigener Kraft zum Ausgangspunkt in Wahlstedt zurückzukehren.

Abschluss eines großen Traumes mit einem Überflug am Flugplatz Wahlstedt.

Abschluss eines großen Traumes mit einem Überflug am Flugplatz Wahlstedt.

Nicht nur die absolvierte Strecke ist für den Luftsportverein eine einmalige Leistung. In der bundesweiten Wertung stellt der Flug von Christoph Schwarz den ersten Platz im Vergleich zu allen anderen über 2000 angemeldeten Segelflügen des 18.07.2010 dar. Zudem handelt es sich um den besten Flug des Jahres 2010 in der Flugrangliste des Onlinecontest Wertung Deutschland.

Und überhaupt stellt die 1000 Kilometer Marke für Schleswig-Holstein eine Schallmauer dar, denn bis zum Sonntag gab es lediglich einen Piloten, der eine solche Distanz aus Schleswig-Holstein bereits verwirklichen konnte, nämlich den mehrfachen Weltrekordhalter Hans-Werner Grosse aus Lübeck.

Nunmehr haben es drei weitere Piloten aus Schleswig-Holstein am Sonntag geschafft, so dass jetzt insgesamt sieben Flüge über 1000 Kilometer aus S.-H. zu verzeichnen sind:

 

1. 25.04.1972 Hans-Werner Grosse 1460 km Zielflug (Lübeck – Biarritz) mit ASW 12
2. 14.04.1974 Hans-Werner Grosse 1231 km Zielflug (Lübeck – Angers) mit ASW 17
3. 07.04.2003 Hans-Werner Grosse 1036 km Ziel-Rück mit Eta
4. 28.06.2003 Hans-Werner Grosse 1027 km mit Eta
5. 18.07.2010 Christoph Schwarz 1016 km mit DuoDiscus XLT
6. 18.07.2010 Ullrich S. Schwarz 1036 km mit Nimbus 3 25,5 M
7. 18.07.2010 Horst Tollgreef 1019 km mit Ventus 2cm
8. 06.06.2014 Stefan Delfs 1019 km mit Nimbus 4 DM

(Sollten wir einen Flug übersehen haben, so bitten wir um eine Mitteilung)

Und letztlich ist für die Segelflieger ein Traum in Erfüllung gegangen, der tiefe Emotionen auslöste und nur ganz wenigen Fliegern in ihrer Fliegerlaufbahn vorbehalten ist.

Update 1:

Einige Links zu den Ereignissen:

Flug Christoph Schwarz (OLC)
Flug Ullrich S. Schwarz (OLC)
Alle Fluege 18.07.2010
Schempp-Hirth Vermerk

Update 2:

Und auch der Radiosender Radio Schleswig Holstein R.SH interessierte sich für dieses Ereignis und führte eine Telefoninterview mit Ullrich und Christoph Schwarz. Einen Mitschnitt von R.SH könnt ich euch HIERherunterladen.
Dieser Mitschnitt wurde in der Sendung „Bei Mittmann mach ich mit, Mann!“ am 21.07.2010 um 14:41 Uhr gesendet.

Update 3:

Der Flug von Christoph Schwarz und Stefan Wischmann wurde am 26.08.2010 als Deutscher Klassenrekord in der Klasse D2 (Doppelsitzer) mit einer Freien Strecke über maximal 3 Wegpunkte und einer Distanz von 940,4 Kilometer anerkannt.
Dies ist bereits der 2. Deutsche Rekord – 1. Rekord am 17.06.2008 mit 792 km in der Standardklasse -, welchen Christoph Schwarz nach Wahlstedt holen konnte.